Trampen im Japan Urlaub: Diese Reisetipps sind unbezahlbar
Es gibt verschiedene Möglichkeiten um sich in Japan fortzubewegen, aber trampen in Japan ist sicherlich einer der interessantesten Wege, um das Land und die Leute kennenzulernen.
Lohnt sich trampen in Japan?
Unter der Voraussetzung, dass gewisse Einschränkungen in Kauf genommen werden, kann man auch mit kleinem Geldbeutel in Japan einen ausfüllenden Urlaub verbringen, in dem nicht auf einen Reichtum von Reiseerfahrungen verzichtet werden muss, weil es das Budget nicht erlaubt. Unser letzter Artikel hat gezeigt, auf welche Art und Weise, die Urlaubskasse hinsichtlich Kost und Logis geschont werden kann. Aber wie sieht es eigentlich mit den Verkehrs- und Reisekosten im Land der Wiege der Sonne aus? Durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel lassen sich schon einige Einsparungen erreichen. Wenn man allerdings Ausgaben gegen null in diesem Bereich erzielen möchte, ist Trampen – sprich: das Reisen per Anhalter – eine Alternative in Japan, die man nicht von vornherein ausschließen sollte. Jedoch gilt auch hier: ohne Vorbereitung und Grundlagenwissen wird man nicht weit kommen. Wer spontan unter dem ungeschriebenen Regelsatz der westlichen Welt trampen möchte, wird schnell enttäuscht. Hier schafft dieser Artikel Abhilfe.
Wo soll es denn hingehen?
Um überhaupt per Anhalter von A nach B zu gelangen, sollte man schon im Vorfeld eine klare Vorstellung von der zu bewältigenden Route haben. Sich mit gestrecktem Daumen in Tokyo spontan an eine Hauptverkehrsader zu stellen, wird kaum von Erfolg gekrönt werden. Daher reicht es nicht aus, zu wissen, welche Straßen aus den Städten hinaus führen, man muss auch wissen, wo sich die Fahrerschaft versammelt. Zu diesen Sammelplätzen gehören service areas (サービスエリア) in den Großstädten selbst (prinzipiell vergleichbar mit Tankstellen hierzulande) und parking areas (休憩所、きゅうけいじょ), die es an den Autobahnen (高速道路、こうそくどうろ) gibt. Service areas (SA) fallen allgemein größer und besser bestückt aus als parking areas (PA).
Dieser Unterschied wird allerdings kaum gemacht, weshalb die meisten generell unabhängig vom Standort als サービスエリア ausgeschildert sind.
Als Faustregel gilt, wenn man für weniger als 2000 ¥ einen Ort per Zug erreichen kann, lohnt sich das Fahren per Anhalter kaum. Beliebte Reiseziele rund um Tokyo, wie zum Beispiel Fuji, Hakone oder Nikko, lassen sich bequem und kostengünstig mit dem Zug erreichen. Am Ziel angekommen, werden die Preise für den örtlichen Nahverkehr zwar deutlich angezogen doch gibt es bei Touristenmagneten immer viele Möglichkeiten zum Mitfahren.
Auf die Autobahn, zum Mitnehmen
Eigentlich sind service und parking areas so angelegt, dass es erstens nicht ganz einfach ist, sie zu Fuß zu erreichen und zweitens ist dies auch offiziell verboten. Wie so oft in solchen Fällen ist „eigentlich“ eine Ausnahme und offzielle Regeln können dort zurechtgebogen werden, wo sie nicht überwacht und durchgesetzt werden. Man muss aber nicht gleich zum Gesetzesbrecher werden, wenn man die Route kennt und willens ist, gewisse Umwege in Kauf zu nehmen (setzt man sich lieber für eine Stunde in den Zug und spart dafür 9000 ¥?). Dann sind service areas in Großstädten auch das geeignetste Mittel, um weiter auf die Autobahn und zu den PAs zu kommen.
Eine weitere, jedoch nicht besonders ratsame, Methode, um auf die Autobahnen zu gelangen, besteht darin, direkt an den Verkehrsknotenpunkten zu den Auffahrten zu trampen. Die liegen zwar in Tokyo näher am Stadtkern, aber sind mit dichtem Verkehr verbunden, in dem es nur wenige Plätze gibt, an denen man überhaupt den Versuch starten kann, per Anhalter zu fahren. Daher ist man in Tokyo besser beraten den Zug zu nehmen, bevor man an Autoabgasen erstickt.
Es lassen sich auch, als dritte Möglichkeit, Überlandbusse benutzen, die Halt bei parking areas auf der Autobahn machen. Hierbei sollte man den (zeitlichen) Aufwand jedoch nicht unterschätzen, der damit einhergeht, vorher auszukundschaften, welche Busrouten über welche Autobahnen an welchen PA halten – ganz abgesehen davon, dass Überlandbusfahrten teurer ausfallen als innerstädtische Zugfahrten. Außerdem sorgt es im besten Falle für Verwirrung unter den japanischen Mitfahrern, wenn der einzige がいこくじん auf einem Parkplatz „verloren“ geht.
Eine noch nicht durch Feldversuche getestete, aber nicht unmögliche, Methode bestünde darin, den 3500-Yen-teuren Orion-Nachtbus Richtung Gifu über Nagoya am besten Freitagnacht zu nehmen. Der ist nicht unbedingt durch Bequemlichkeit gerühmt, hält jedoch an einer der größeren PA östlich von Nagoya. Wenn man irgendwie den Fahrer davon überzeugen kann, dass man hier aussteigen möchte, weil man sich schon sehr nah am Zielort befindet („Dort drüben wohnt ein Freund von mir, ungelogen, gleich dort drüben!“ – wie gesagt, wurde noch nicht in der Praxis bestätigt), ist man in einer idealen Ausgangsposition, um weiter Richtung Westen zu trampen.
Zur nächsten Tankstelle zu fahren (oder sich fahren zu lassen), ist womöglich die sicherste und schnellste Option, um auf die Autobahn zu gelangen, wenn man denn auskundschaften konnte, dass die Tankstelle auch an einer Straße liegt, die zur Autobahn führt. Nachdem man sicher gestellt hat, dass man sich auf der korrekten Straßenseite befindet (in Japan herrscht Linksverkehr), um die Chancen, mitgenommen zu werden, zu maximieren, kann man versuchen, auf freundlichst mögliche Art, Fahrer anzusprechen und ihnen erklären, dass man nur zur nächsten Autobahn-Service-Area mitgenommen werden möchte. Wer des Japanischen mächtig ist, sollte hierbei keine Probleme haben. Andernfalls versucht man sich über den Namen der Autobahn (oder einer guten Straßennetzkarte, die man zum Trampen sowieso dabeihaben sollte) und der magischen Formel サービスエリア (see-wi-su-e-ri-a) zu verständigen. Diese Methode wurde lt. Quellartikel in Yokohama (auf dem Weg nach Kyoto) probiert und hat, wenn auch mit Hilfe eines Japanischkundigen, gerade einmal zwei Minuten in Anspruch genommen.
Per Anhalter auf der Autobahn
Auf den SA/PA-Plätzen wird man am wahrscheinlichsten mitgenommen, wenn man sich nahe der Ausfahrt mit Sicht auf die Gebäudekomplexe aufhält. Derart wird man von Fahrern frühzeitig – idealerweise noch bevor sie die Tankstelle betreten – wahrgenommen, was ihnen wiederum Bedenkzeit für eine potentielle Mitnahme gibt. Je nach Verkehrsaufgebot dauert es nur wenige Minuten, bis man mitgenommen wird. Besser hält man sich vor den Tankshops oder in der Nähe (aber bitte nicht vor der Tür) der Toiletten auf, sodass man die Fahrer direkt ansprechen und einen guten ersten Eindruck hinterlassen kann.
Ist man erst einmal auf der Autobahn kann man sich so von service area zu service area weiterhangeln, wobei man darauf achten oder es möglichst so einrichten sollte, dass man bei service areas landet, die mit Raststätten auf europäischen Autobahnen vergleichbar sind und dementsprechend mit sanitären Einrichtungen, Restaurants u.ä. aufwarten können. Parking areas, wie der Name schon vermuten lässt, lassen nicht nur solche Einrichtungen missen, sondern sind auch weniger gut besucht. Wo hat ein Japaner wohl das bessere Gefühl: mitten im nirgendwo auf einem verlassenen Parkplatz angesprochen zu werden oder bei einer gutbesuchten Raststätte um eine Mitfahrgelegenheit gebeten zu werden. Sicher doch letzteres. Wer sich möglichst an service areas hält, kann durchaus eine Strecke etwa von Tokyo nach Kyoto innerhalb eines Tages bewältigen.
Es sei hierbei erwähnt, dass es, wie auch in Deutschland, verboten ist (1) Autobahnen zu Fuß zu begehen und (2) außerhalb von Park- und Rastplätzen Personen abzusetzen. Wer dies trotzdem tut, riskiert, von der Autobahnpolizei aufgefischt zu werden. Selbstverständlich sollte man auch dem eigenen Fahrer verbieten, mitten auf der Autobahn mit diesem Hintergrund zu halten.
Wer sich seiner Handschrift sicher ist oder sich von japanischen Freunden helfen lassen kann, besorgt sich am besten im 100-Yen-Shop eine doppelseitige Weißwandtafel und -stifte für unterwegs (die Einpackfolie kann man ebenfalls aufheben, um die Tafel und Schrift zumindest ein wenig wetterfest zu machen) und beschriftet die Tafel auf einer Seite mit „Zielort X“ (終目的地 X、しゅうもくてきち X), wobei X logischerweise mit dem jeweiligen Ziel zu ersetzen ist, und „Zwischenhalt Y“ (中間目的地 Y、ちゅうかんもくてきち Y), wobei Y mit dem Namen des Zwischenhalts ersetzt wird. Man kann sich hierbei auch von den Mitarbeitern der Servicestationen helfen lassen. Das Schild hält man dann mit der Zielort-Seite potentiellen Mitnehmern entgegen und dreht es um, wenn Anzeichen von Ablehnung, wie Kopfschütteln, erkennbar werden. Die meisten Fahrer sind eher willens, Tramper auf kurzen Strecken mitzunehmen und diese Methode garantiert ein zügigeres weiterkommen. Am Ziel angekommen, kann man so auch den Fahrer bitten, das nächste Ziel niederzuschreiben.
Per Anhalter außerhalb des Autobahnnetzes
Außerhalb des Autobahnnetzes trifft man entlang der mautfreien Hochgeschwindigkeitsstraßen (国道、 こくどう) desweilen die sogenannten Michi-no-Eki (道の駅、みちのえき) an. Dabei handelt es sich um kleinere und auch größere Park- und Raststationen, von denen es in Japan etwa 900 gibt. Diese bieten exzellente Möglichkeiten, Pausen einzulegen, die weiteren Routen zu planen und weiterzutrampen.
Eine weitere verbreitete Möglichkeit zum Reisen per Anhalter wird durch Tankstellenausfahrten gegeben. Wichtig ist hierbei, sich möglichst so zu platzieren, dass man frühzeitig von den Fahrern gesehen wird und dass sie so anhalten können, dass andere nicht behindert oder gefährdet werden.
Auch hierbei noch eine Anmerkung: es ist verboten an Straßenkreuzungen und Bushaltestellen per Anhalter zu reisen bzw. sich an diesen Stellen mitnehmen zu lassen, obschon es auch hier Interpretationsrahmen gibt. Beispielsweise kann man sich in ländlichen Gegenden an Bushaltestellen positionieren, wo der Bus nur ein paar Mal am Tag hält, oder an Straßeneinmündungen, wenn man großzügigen Abstand zur Kreuzung hält.
Allgemein sollte man hier Gebrauch vom gesunden Menschenverstand machen. Die örtlichen Ordnungskräfte werden Tramper zwar nicht gängeln, da Trampen prinzipiell nicht illegal ist, aber Polizisten können jederzeit eingreifen, wenn sie das Gefühl bekommen, dass die Verkehrssicherheit oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigt werden.
Ohne Vorbereitung geht nichts
In Japan gibt es keine verfestigte Tradition, was das Fahren per Anhalter betrifft, wohingegen jeder, der hierzulande schon einmal ein Road Movie gesehen hat, innerhalb von Sekunden versteht, was ein ausgestreckter Daumen am Fahrbahnrand bedeutet. Autofahrer in Japan haben dagegen keine bis nur wenig Erfahrung mit Trampern und man könnte durchaus der oder die erste sein, die der geneigte Fahrer zu Gesicht bekommt. Um die damit einhergehenden Sorgen des Befremdlichen zu beschwichtigen, ist es daher unabkömmlich so freundlich und harmlos wie nur irgendmöglich daherzukommen.
Kommunikation ist hierbei – wie könnte es auch anders sein – nicht nur die größte Sorge japanischer Fahrer, sondern die unsichtbare Wand, die Erfolg von Misserfolg trennt. Wenn man also von Vornherein verständlich machen kann, dass man ein wenig Japanisch versteht, signalisiert man gleichzeitig auch ein Verständnis für soziale Gepflogenheiten. Hier kommt wieder die Weißwandtafel zum Einsatz, auf der man vermerken kann: 日本語を分かります!oder 日本語できます!(Ich verstehe Japanisch/Ich kann Japanisch).
Ob man dann wirklich die japanische Sprache bis ins kleinste Detail verstehen und anwenden kann, ist zunächst unerheblich. Wichtig ist nur, dass man sich verständlich machen und zumindest ein bisschen Japanisch wiedergeben kann (da die Fahrt sonst sehr schnell, sehr unangenehm still werden wird). Die meisten Japaner werden außerdem gesprochenes Englisch zwar nicht verstehen, aber englische Begriffe erkennen, wenn sie niedergeschrieben sind – das sollte man im Hinterkopf behalten, falls die Verständigung gar nicht mehr vorankommt.
Neben der Fähigkeit, sich etwas in der Landessprache ausdrücken zu können, ist die äußere Erscheinung das A und O, um überhaupt eine Chance zu haben, mitgenommen zu werden. Wer als zerrissene Gestalt mit entsprechendem Auftreten daherkommt, muss nicht lange nach dem Grund suchen, warum man stundenlang am Straßenrand ignoriert wird. Menschen fremder Kulturen sind für Einheimische von Natur aus verdächtiger als Landsleute, also sollten die hier mitspielenden Ängste durch das Erscheinungsbild auf den ersten Blick weggewischt werden und das bedeutet: Sauberes Hemd oder unbedrucktes T-Shirt, ordentliche Beinkleider, deren Taschen nicht mit Krimskrams vollgestopft sind oder Löcher aufweisen und Hut oder Mütze statt Sonnenbrille. Der mitgeführte Rucksack sollte ordentlich abgelegt werden und sauber sein. Außerdem kann man ihn noch mit freundlichen Patches oder ähnlichem aufwerten, was einen erstaunlich positiven Eindruck bei Japanern hinterlässt.
Wie schon gesagt, gibt es keine Anhalter-Tradition in Japan. Aber wenn die Checkliste oben abgehakt werden kann, ist die am besten einzunehmende Pose noch immer die klassische der westlichen Welt – also linke Hand nach außen, Daumen nach oben, ein einvernehmliches Lächeln auf den Lippen. Man sollte Fahrern direkt in die Augen schauen und eine kleine Verbeugung zur Danksagung praktizieren, vor allem wenn Fahrer langsamer werden, um einen besseren Blick zu erhaschen.
Geduld ist auf jeden Fall angesagt. Vielleicht wird man vom ersten Auto mitgenommen; vielleicht kann es eine Weile dauern. Aber wenn man einen ordentlichen Eindruck macht, wird man auf jeden Fall irgendwann aufgesammelt.
Sobald ein Auto anhält und das Beifahrerfenster heruntergelassen wird, ist mit fast einhundertprozentiger Sicherheit die erste Frage, die gestellt wird: Doko made?(Wohin?)
Man sollte jetzt nicht den klassischen Fehler begehen und den Zielort angeben, da der Fahrer sonst den Eindruck bekommen könnte, dass man darauf besteht, über die komplette Distanz mitgenommen zu werden, weswegen man am Straßenrand auch auf Schilder verzichten sollte, auf denen der Zielort prangt. Besser ist es, den nächstgelegenen Ort anzugeben, indem man sagt: Xのほう (In Richtung X). Derart kann man sich von Ort zu Ort oder von Service Area zu Service Area hangeln. Wenn man erstmal im Fahrzeug sitzt, erfährt man im Gespräch die Richtung vom Fahrer und wird sicher auch selbst gefragt und kann dann selbst entscheiden, wie weit man mitfahren möchte.
Man kann auch von der oben schon genannten Weißwandtafel Gebrauch machen, wenn man von Service Area zu Service Area mitgenommen werden möchte, indem man darauf vermerkt:
次のSAお願いいたします! (Bis zur nächsten Station, bitte!) Dabei wird den Fahrern auf einen Blick verständlich gemacht, dass man ihre Zeit nur kurz in Anspruch nehmen möchte und, wie schon erwähnt, sind Japaner (oder Menschen im Allgemeinen) eher bereit, Fremde auf kurzen Strecken mitzunehmen. An der letzten Service Area vor der Ausfahrt zum Zielort, vermerkt man diesen dann, wie oben aufgeführt, mit 終目的地 ZIEL.
Es mag etwas merkwürdig klingen, aber beim Niederschreiben des Zielortes sollte man sich beobachten lassen, beziehungsweise dies an einer Stelle tun, wo man beobachtet werden kann. Wenn Japaner sehen, wie ein 外国人 mit gewissenhafter Ruhe aus dem Gedächtnis in der Landessprache schreibt, wird dies nicht nur Aufmerksamkeit erregen, sondern auch die Zahl potentieller Mitnehmer erhöhen.
Die Jahreszeit spielt mit
Anders als in gemäßigten Klimazonen kann das Trampen zur Sommerzeit in Japan zur echten Qual werden. Studenlang in der Sommerglut zu stehen, ist geradezu eine Einladung für Sonnenbrand und Flüssigkeitsmangel. Im Winter ist es dagegen einfach nur zu kalt. Andererseits werden mit der Kälte die Menschen auch freundlicher, weshalb man sich zur Not auch mit einem Getränk zum Warmhalten in service areas aufhalten kann, um dort die Fahrer direkt anzusprechen.
Auch schläft man im Urlaub zwar gerne aus, jedoch muss man im Trampurlaub so früh wie möglich in den Tag starten, weil erstens die Mitfahrgelegenheiten auf langen Überlandstrecken nur am frühen Morgen verfügbar sind und zweitens das puristische Fahren per Anhalter den kompletten Tag in Anspruch nehmen wird. Man sollte sich deshalb auch darauf einrichten, dass man am Zielort ankommt, wenn es bereits dämmert.
Bei schlechtem Wetter sollte man übrigens aufs Trampen verzichten. Während hierzulande eine durchnässte Gestalt am Straßenrand noch Mitleid erregt, assoziieren Japaner eine von Kopf bis Fuß vom Regen schwere Person, die bemitleidenswert am Wegesrand steht, mit geistiger Verwirrung. Dagegen kann man sich auf die Gastfreundschaft der Japaner verlassen, wenn man sich bei schlechten Wetterverhältnissen in Innenräumen aufhält.
Wer fährt mit wem
Wie überall auf der Welt, spielen auch in Japan die Personenanzahl und das Geschlecht der Personen eine Rolle beim Fahren per Anhalter. Geordnet nach aufsteigender Schwierigkeitsstufe lautet daher die Gruppenordnung wie folgt:
- Einzelnes Mädel (Sicherheitswarnung unten)
- Zwei Mädel
- Mädel-Jungen-Pärchen
- Einzelner Junge
- Zwei Jungen
- Drei und mehr Personen
Obschon man als Mädel allein sehr schnell eine Mitfahrgelegenheit bekommt, geht dies nicht ohne Risiken einher. Es gibt auf der ganzen Welt Menschen (und dies ist absichtlich nicht nur auf Männer beschränkt), die geradezu nur auf leicht ausnutzbare Einzelziele warten. Gerade beim Trampen ist hier besondere Vorsicht geboten.
Auf der anderen Seite gibt es kaum Einschränkungen dahingehend, von welcher Art Mensch man mitgenommen wird. Auch das Vertrauen und die Großzügigkeit, die von den Leuten, die Tramper mitnehmen, entgegengebracht wird, kann überraschen. Man wird von jungen Pärchen, sonnengegerbten Bauern, Familien mit Kindern, Handelsreisenden und alleinstehenden Frauen genauso mitgenommen wie von yakuza und buddhistischen Mönchen, die allesamt, fast ohne Ausnahme, Getränke, Snacks, Mahlzeiten und vielleicht sogar tatami zur Übernachtung anbieten werden. Man sollte hier aber nicht zu sorgenfrei zugreifen, denn als Mitfahrer in Japan wird man de facto zum Gast in der Kabine und viele Japaner werden aus obligatorischen, anstatt aus altruistischen, Gründen heraus Gastlichkeit zeigen. Genügend Menschenkenntnis vorausgesetzt, sollte man lernen, zwischen diesen zwei Typen zu unterscheiden. Das liegt darin begründet, dass großzügige Menschen die Gegenwart des Mitreisenden schätzen, während Menschen, die aus obligatorischem Muss heraus handeln, die Gegenwart dulden.
Als Gast steht es geradezu unter Verbot, irgendeine Art finanzieller Hilfe beizusteuern – sei es für Sprit- oder Mautkosten: Angebote dieser Art werden fast ausnahmslos von Japanern abgelehnt. Dementsprechend dankbar sollte man sich auch zeigen, da die Mautkosten in Japan immer noch recht hoch sind (obwohl sie mancherorts abgeschafft oder an Wochenenden reduziert wurden). Dankbarkeit kann im Land der aufgehenden Sonne durch kleine Geschenke zeigen (es ist z.B. auch üblich, dass man etwa für die gesamte Bürobesetzung kleine Geschenke mitbringt, wenn man in solchen Räumlichkeiten arbeitet und in den Urlaub geht).
Diese Bringsel, die nicht von besonders großem Wert sein müssen, werden お返し、おかえし genannt und sollten in großzügigen Mengen mitgeführt werden, wenn man vorhat, viel per Anhalter zu fahren. Die Geschenke selbst können die Form von Ansteckern, (verpackten) Keksen, kleinen Likörflächschen oder was sonst noch in den Sinn kommt, annehmen. Auf diese Art lässt sich nicht nur ein Verständnis für die Kultur zeigen, sondern lassen sich sogar neue Freundschaften besiegeln.
Trampen – aber sicher
Zum Schluss sei noch angemerkt: Trampen ist nicht für jedermann. Man muss auf der einen Seite offen und freundlich sein und auf der anderen immer die eigene Sicherheit im Hinterkopf behalten. Deshalb ist es ratsam, wenn möglich zu zweit per Anhalter zu fahren. Das birgt den Nachteil längerer Wartezeiten, die man aber doch hoffentlich gegen die eigene Unversehrtheit eintauscht.
Als Einzelperson zu trampen, ist, unabhängig vom eigenen Format, nicht vollständig als risikofrei zu bewerten. Insofern sollte man die folgenden Sicherheitsregeln beachten und einhalten, wenn es möglich ist.
- Man sollte sich auf das Bauchgefühl verlassen und Fahrer zurückweisen, wenn etwas am Wagen oder an der Person seltsam erscheint – auch wenn man so potentiell Fahrer abweist, die nur unbewusst einen merkwürdigen Eindruck hinterlassen. Bei Ungewissheit sollte man bei Antwort auf die Frage nach dem Ziel ein vom Zielort des Fahrers divergierendes angeben. Somit werden auch niemandes Gefühle angegriffen oder verletzt.
- Bevor man in ein Fahrzeug einsteigt, sollte man sich eine geistige Notiz von der Marke, dem Modell, der Farbe und möglicherweise dem Nummernschild machen. Besser noch schreibt man eine Nachricht mit diesen Informationen an eine eingeweihte Person, wenn möglich.
- Noch mehr Sicherheit kann man erlangen, wenn man ein Foto vom Fahrzeug macht. Man kann auch den Fahrer danach fragen, ob sie ein Problem damit haben, wenn von ihnen ein Foto gemacht wird – wenn man die Sorgen um die eigene Sicherheit verständlich machen kann und der Fahrer sein Einverständnis erklärt, wird auch er oder sie ein besseres Gefühl haben, zu wissen, dass die Mitfahrerin oder der Mitfahrer einen Notfallplan haben.
- Bevorzugt sollten Fahrzeuge mit Personengruppen gemieden werden (es sei denn es handelt sich um junge Pärchen, verheiratete Paare oder Familien mit Kindern).
- Kleptomanen und Perverse gibt es unter allen Geschlechtergruppen und man sollte darauf achten, wo die Menschen ihre Hände haben. Bei Personengruppen ist dies logischerweise schwieriger zu überwachen.
- Der Beifahrersitz ist nicht nur aufgrund des vorhandenen Airbag sicherer. Die Seitentüren der Rücksitze sind in fast allen Fahrzeugen mit Baujahr 2000+ mit Kindersicherungen ausgestattet, die sich meist über die Fahrertür oder die Mittelkonsole sperren und entriegeln lassen. Wenn man auf der Rückbank mitgenommen wird, sollte man sich vergewissern, dass die Kindersicherung entsperrt ist (wobei bei Familien mit Kindern dies kein Problem darstellt).
- Rucksäcke und Taschen sollten im Zweifelsfalle so aufbewahrt werden, dass sie immer zur Hand sind. Wenn man wirklich mal rennen muss, hat man keine Zeit, den Kofferraum zu öffnen. Wer alleine reist und Rücksäcke o.ä. im Kofferraum einschließen lässt, sollte sich mental darauf vorbereiten, die Taschen zu verlieren.
- Im Optimalfall behält man Wertgegenstände immer an der eigenen Person, anstelle sie im Rucksack aufzubewahren. Weiterhin sollten sie an verschiedenen Stellen aufbewahrt werden. Besser noch werden sie so verteilt, dass wenige aber nötige Sachen (etwa Handy, Ausweis, Kleingeld) an einem gewöhnlichen Ort aufbewahrt werden (Hosentaschen etwa); wichtigere Sachen, deren Verlust man verkraften kann, in gewöhnlichen Verstecken (Schuhe, Innenseiten von Jacken) Unterschlupf finden; und Dinge, die man auf keinen Fall verlieren möchte, in ungewöhnlichen Verstecken untergebracht werden (sprich Unterwäsche, eingenähte Geheimfächer etc.) Dies geschieht mit dem Hintergrundwissen, dass Langfinger und ähnliche Kriminelle nicht eine komplette Personendurchsuchung vornehmen, wenn sie schnell fündig werden – jemand der Angst hat, erwischt zu werden, hat im Normalfall wenig Zeit.
- Mancherorts wird die Polizei jede noch so kleine Ungereimtheit zum Anlass nehmen, eine Personalienüberprüfung und/oder Personendurchsuchung durchzuführen. Vor allem gelangweilte Polizeikräfte halten gerne Personen an, deren Aussehen ihnen nicht passt.
- Zu Fuß sollte man sich von Autobahnen fernhalten (mit Ausnahme von Rast- und Parkplätzen selbstverständlich), nicht nur weil es in den meisten Fällen verboten ist, sondern vor allem weil es ein Sicherheitsrisiko darstellt, dass man nicht eingehen muss.
- Mit Einbruch der Dunkelheit steigt auch die kriminelle Aktivität. Man sollte daher nur in äußersten Notfällen versuchen, nachts per Anhalter zu fahren. Nicht nur dass vermehrt Kriminelle ihren Aktivitäten bei Nacht nachgehen, auch die Trunkenheit und sonstige Anheiterungen nehmen nach Feierabend zu. Auch Raststätten haben in den meisten Ländern Öffnungszeiten, weshalb man natürlich vorher Informationen über die Reisedauer zum Ziel einholen sollte, damit man möglichst noch vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel ankommt.
- Auch online gibt es vermehrt Möglichkeiten, Mitfahrgelegenheiten anzubieten und anzufragen. Prinzipiell sind diese auch die sichersten, da Fotos, persönliche Daten, Kommentare anderer Nutzer und Identifikationsnummern bei vielen Diensten angeboten werden.
Das Fahren per Anhalter oder Trampen kann eine wunderbare Erfahrung sein, sowohl für Fahrer als auch Fahrgäste, und bietet die Möglichkeit, neue Erfahrungen über die ungewohnte Umgebung zu sammeln und von dem Insider-Wissen der Einheimischen zu profitieren. Wie in allen Dingen sollte die eigene Unversehrtheit an erster Stelle stehen; gleichzeitig sollte man darauf achten, darüber nicht paranoid zu werden. Denn die meisten Menschen sind gut und die Maxime „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem Andern zu“ gilt auf der ganzen Welt. Daher: wer mit gesundem Menschenverstand reist, freundlich aber bestimmt auftritt und die Dinge rational anpackt, dem sollte auch so schnell nichts geschehen.