Ist sie wirklich so kompliziert die japanische Sprache?
Die japanische Sprache steht für viele Menschen unter der Überschrift „Unheimlich schwer zu erlernen.“ Aber ist es wirklich so schwierig, sich Japanisch anzueignen. In einem Wort: Nein. Und wir zeigen dir, warum der Lernprozess wesentlich einfacher ist, als du vielleicht denkst.
Menschen, die noch nicht in direkten Kontakt mit der Sprache gekommen sind, werden oftmals so oder so ähnliche Platitüden von der Leine lassen:
- „Japanisch lernen ist schwer.“
- „Die japanische Sprache ist kompliziert.“
- „Japanisch lernen ist für Europäer unlogisch.“
- „Die japanische Grammatik ist extrem verwirrend.“
Wie wir im folgenden noch weiter aufdecken werden, haben diese Aussagen vier Dinge gemeinsam:
- Sie fußen quasi auf Aberglaube und Hörensagen.
- Sie stehen dem Spracherwerb im Weg.
- Sie sind kompletter Unsinn.
- Sie werden dennoch von vielen Schülern der japanischen Sprache geglaubt (und verbreitet).
Um die japanische Sprache also erfolgreich zu erlernen, musst du zunächst die Zyniker, Neinsager und Pessimisten ignorieren. Der japanische Spracherwerb ist nicht wesentlich schwieriger als bei anderen Sprachen und in vielen Teilen sogar simpler, wenn man sich einmal die schiere grammatikalische Komplexität bei romanischen und germanischen Sprachen vor Augen hält.
Warum Japanisch lernen einfacher ist, als du denkst
Im folgenden sehen wir uns ein paar Gründe an, warum Japanisch vergleichsweise einfach zu erlernen ist.
1) In der japanischen Sprache gibt es keine grammatischen Geschlechter, die es auswendig zu lernen gilt.
Anders als bei romanischen und germanischen Sprachen gibt es in der japanischen Grammatik keine Geschlechtsbezüge bei Substantiven. Das heißt, die Substantivgrundform muss erstens nicht an das Geschlecht des Subjekts angepasst werden und zweitens gibt es schlicht keine grammatischen Geschlechtsunterschiede – also auch keine Artikel! In Japan kannst du ein dunkles Bier bestellen, ohne überlegen zu müssen, welches Geschlecht Bier nun besitzt und welcher Artikel dazugehört.
Während man bei anderen Sprachen noch überlegt, sitzt man im Japanischen bereits gemütlich bei einem geschlechtlosen kuro biiru (黒ビール) – einem dunklen Bier.
2) Japanische Verben müssen nicht auf das Subjekt abgestimmt werden.
In der japanischen Sprache muss die Verbform nicht hinsichtlich Numerus, Kasus und Genus (also Anzahl, Fall und Geschlecht) konjugiert werden. Jeder, der sich schon an Spanisch oder Französisch versucht hat, wird diesen Vorteil zu würdigen wissen. Nehmen wir für dieses Beispiel das Verb „essen“. Im Spanischen heißt essen „comer“ und wird, nur für die Gegenwartsform, wie folgt konjugiert:
- yo como – ich esse
- tú comes – du isst
- él/ella/ello/uno come – er/sie/es isst
- nosotros comemos – wir essen
- vosotros coméis – ihr esst
- ellos/ellas comen – sie essen
Hierbei wird auch die Komplexität unserer germanischen Sprache deutlich. Es werden somit sechs verschiedene Formen benötigt, nur um einen vergleichsweise simplen Bezug zwischen der Aktivität und dem Akteur herzustellen.
Im Japanischen verändert sich die Verbform im Bezug zum Subjekt dagegen nicht. Essen (食べる, taberu) bleibt daher immer „essen.“
ich/du/er/sie/es/wir/ihr/sie essen – 食べる
Natürlich gibt es auch in der japanischen Sprache verschieden Verbformen, wenn sich etwa Zeit- oder Höflichkeitsebene verändern, aber die Anzahl ist im Gegensatz zu europäischen Sprachen überschaubar.
3) Subjekte und Objekte werden im Japanischen gerne fallengelassen.
Die japanische Sprache wird von Linguisten auch als Nullsubjektsprache oder Pro-Drop-Sprache bezeichnet. Oder anders gesagt: Das Subjekt und Objekt im Japanischen, das Wer und Was, werden bevorzugt ausgelassen, solange durch Kontext Zuhörer und Sprecher über Subjekt und Objekt bereits informiert sind. Zum Beispiel kannst du, wenn du gefragt wirst, ob du gern mit zu Abend essen möchtest, einfach „tabeta“ (食べた –gegessen) antworten. Das Objekt (Abendessen) und Subjekt (der Gefragte) sind beiden Gesprächspartnern bekannt und werden in der Folge fallengelassen, solange sich der Kontext nicht ändert. Weniger ist manchmal mehr!
4) Die Aussprache japanischer Silben ändert sich (fast) nie.
Japanisch ist eine Silbensprache basierend auf 45 Silben. Die Zahl 45 wirkt zunächst einmal angsteinflößender als die 26 Lettern des deutschen Alphabets (27 wenn man ß hinzuzält, 30 mit den Umlauten), aber man sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass sich die Aussprache deutscher Lettern je nach sprachhistorischem Ursprung des betreffenden Worts ändern kann. Nehmen wir dazu die Beispiele: Muse, müssen, Stil, Stiel.
Muse ist dem griechischen mousa über das lateinische musa entlehnt. Das S wird, wie in den Aussgangssprachen weich gesprochen. „Müssen“ hingegen stammt vom mittelhochdeutschen müezen, wobei die S-Laute in beiden Fällen scharf gesprochen werden. Stil und Stiel stammen beide vom lateinischen stilus und während Stil die ursprüngliche Aussprache beibehalten hat, wird das S in Stiel wie „sch“ ausgesprochen.
Im Japanischen ändert sich die Aussprache von Silben so gut wie nie. Lediglich ha (は) wird manchmal phonetisch zu wa (わ) und das Partikel wo (を) wird ausgeprochen wie o (お).
5) Die Grundlage der erweiterten Silbenschrift bilden die 45 Basissilben (Kana).
Im Japanischen gibt es neben den Basiskana noch stimmhafte und semi-stimmhafte Silben. Die gute Nachricht hierbei: Wer einmal die Grundlagen beherrscht, wird innerhalb weniger Sekunden die Logik hinter der Bildung der erweiterten Silben verstehen. Die Silbe ha (は) beispielsweise kann mit dakuten (濁点 – stimmhaften Zeichen, „Striche“) erweitert werden und bildet ba (ば) oder mit handakuten (半濁点 – semi-stimmhafte Zeichen, „Kreis“) und bildet pa (ぱ). Easy peasy lemon squeezy!
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6) Japanisch ist keine tonale Sprache.
Anders als bei vielen südostasiatischen Sprachen wie Chinesisch, Vietnamesisch, Thai usw. ist Japanisch keine Klangsprache. Es kommt zwar vor, dass Bedeutungsunterschiede vereinzelter Wörter durch unterschiedliche Betonungsmuster ausgedrückt werden, das ist aber eher selten der Fall. Schon gar nicht muss, wie im Chinesischen, für jede Silbe ein spezieller Ton gelernt werden.
Ein Beispiel: „ame“ kann Regen (雨) oder auch Süßigkeit (飴) bedeuten – je nach Betonung. Wenn du allerdings draußen im Regen stehst und dies mit falscher Betonung anmerkst, wird man dir wohl eher einen Schirm anbieten und nicht annehmen, du gehörtest ins Irrenhaus, wiel du glaubst, Bonbons fallen vom Himmel.
7) Kanji lernen ist anstrengend, aber nicht schwierig.
Eine gute Nachricht vorweg: Es gibt zwar, historisch betrachtet, zehntausende verschiedener Symbole (Kanji), jedoch unterhält die Regierung Japans eine Liste der 2000 (2136 um genau zu sein) meistbenutzten, im Alltag gebräuchlichen Symbole, die als Richtlinie für alle Medien betrachtet wird. Das bedeutet, wenn man diese Kanji mehr oder weniger gut kennt, kann man so ziemlich alle in Japan vorkommenden Printmedien lesen und verstehen.
Es lassen sich weiterhin viele Eselsbrücken zum Lernen bilden und der überwiegende Teil besteht aus einer Zusammensetzung von Wortstammsymbolen oder Radikalen. Das sind Symbole, die in anderen Symbolen als Grundbild wieder auftauchen. Beispielsweise ist das Symbol für Leder 革 (kawa) und 靴 (kutsu) das Symbol für „Schuhe“, wobei aufmerksame Beobachter bei letzterem 革 wiedergefunden haben dürften. Wenn du also ein Symbol findest, das 革 enthält, kannst du davon ausgehen, dass es sich um einen Lederartikel handelt. „Kaban“ 鞄 – die Handtasche, aber auch Aktentasche – enthält ebenfalls den Stamm für Leder.
Bei zusammengesetzten Substantiven lässt sich zudem die Bedeutung vermuten, wenn man die Bedeutung der „Standardkanji“ kennt. Ein Beispiel: Züge sind erst seit der vergleichsweise späten Industrialisierung Japans dort zum Verkehrsmittel geworden. Somit gibt es kein eigenes Symbol für „Zug“, aber mit etwas Fantasie lassen sich auch diese Verkehrsmittel erraten. Die U-Bahn etwa ist 地下鉄 (chikatetsu) – 地下 (Ort unter der Erde), 鉄 (Eisen). Der normale Zug ist 列車 (ressha) – 列 (Reihe), 車 (Auto, Fortbewegungsmittel). Und der berühmte Shinkansen Hochgeschwindigkeitszug 新幹線 setzt sich zusammen aus – 新 (neu), 幹線 (Hauptverkehrsader).
Am Anfang fühlst du dich mit Sicherheit etwas erschlagen von der Fülle der neuen Konzepte, aber sobald sich das Gehirn an das neue Schriftbild gewöhnt hat, wirst du sehen, dass dir die japanische Sprache Tag für Tag leichter fallen wird.
8) Japanisch ist ebenso logisch wie jede andere Sprache auch
Warum manche Menschen annehmen, dass Japanisch in irgendeiner Form unlogisch sei oder keinen Sinn ergebe, wird wohl für immer ein Mysterium bleiben. Womöglich sehen die Europäer in ihren von Kindesalter an angelernten Sprachen eine tiefere Struktur und übersehen dabei, dass keine Sprache wirklich logisch ist, sondern ein Produkt der intiutiven und subjektiven Entwicklung meist über mehrere Jahrhunderte hinweg. Ist es denn wirklich logisch, dass im Englischen die Dinge Sinn machen („to make sense“) und im Deutschen die Dinge einen Sinn ergeben? Oder im Japanischen dieser Ausdruck nicht durch Sinn tituliert wird, sondern durch seltene Logik (理に適う)? Nein, denn logisch sind Sprachen nicht. Jede hat ihre Eigenheiten, Besonderheiten und kleinen Macken und man muss sie so nehmen, wie sie sind. Zu behaupten, eine Sprache sei schwieriger als eine andere, ist in dieser Hinsicht einzig unlogisch.
Zu guter Letzt noch eine wichtige Regel, die dir helfen sollte, dich beim Lernen nicht vom Geseier anderer abhalten zu lassen: Halte dich an das, was du weißt und nicht an das, was andere zu wissen glauben. Mit anderen Worten ist es unabdingbar, nicht mit der Voreinstellung an den Lernprozess heranzugehen, dass die japanische Sprache schon von vornherein unheimlich schwierig zu erlernen ist. Wenn du so an die Sache herantrittst, machst du dir nur selbst das Leben schwer. Sicher ist es eine Herausforderung, denn alle Dinge, die es sich lohnt anzufangen, sind meist eine Herausforderung, aber man kann immer auf die eigene Art und mit der eigenen Geschwindigkeit die Dinge anpacken und wird feststellen, dass man dann auch mehr Spaß an der Sache hat.
Hier noch ein kleiner Tipp: Der wirklich schwierige Teil beim japanischen Spracherwerb kommt leider gleich zu Beginn, weswegen der überwiegende Großteil (schätzungsweise um die 80 – 90 %) der Lernmaterialien damit beginnt, einfache, nachvollziehbare und sofort einsatzbereite Phrasen nicht nur vorzustellen, sondern auf ihnen auch spätere Lektionen aufbauen und erst ganz zum Schluss, wenn überhaupt, die Kana und Kanji und grammatischen Strukturen der japanischen Sprache einsetzen. Diese Herangehensweise ist Irrsinn, weil sie vom eigentlichen Ziel ablenkt – nämlich nicht nur Japanisch zu lernen, sondern Japanisch zu denken. Mache also bitte nicht denselben Fehler wie so viele vor dir und lerne Japanisch von Stunde null an auf Japanisch mit der Silbenschrift – den Hiragana und Katakana. Auf unserer Seite findest du dazu viele hilfreiche Lektionen, wie zum Beispiel unsere Hiragana Tabelle, die dir den Lernprozess so einfach wie möglich machen wollen.
Hab vor allem Spaß beim Lernen und bleib an der Sache dran und es werden sich schnell erste kleine und große Erfolge einstellen.